Die Tragfähigkeit

Die Tragfähigkeit

Zunächst zu den Inhalten des SGB II:

§ 1 SGB II Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende

2.Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit.

Vorrangig ist somit die Eingliederung in Arbeit – nicht die in die unternehmerische Tätigkeit.

Die selbständige Tätigkeit muss wirtschaftlich tragfähig sein. Dazu zunächst eine Auswahl an unterschiedlichen Rechtsprechungen:

LSG SAN L 5 AS326/11 B ER

Von der Überwindung der Hilfebedürftigkeit ist nur dann auszugehen, wenn die beabsichtigte Tätigkeit erlaubt,dass der Lebensunterhalt  langfristig durch diese Erwerbstätigkeit finanziert werden kann.  (Stölting in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2014, §16b Rn.20)LSG München L 7 AS 260/15

Während nach einer Ansicht wirtschaftliche Tragfähigkeit zu bejahen sein soll, wenn der erzielte Gewinn wenigstens die Betriebsausgaben deckt    wird nach anderer Ansicht die deutliche Verringerung der Hilfebedürftigkeit verlangt.

LSF BRB L 25 AS 538/10

Die selbständige Tätigkeit war jedoch nicht wahrscheinlich geeignet, seine Hilfebedürftigkeit …zu überwinden.

BSG B 4 AS 63/09 R

Prognostisch wahrscheinlich kann Hilfebedürftigkeit überwunden werden, wenn die beabsichtigte zu fördernde Tätigkeit anhand einer Plausibilitätsprüfung und einer Prüfung des schlüssigen Konzepts eine konkrete und realistische Möglichkeit auf wirtschaftlichen Erfolg von einiger Dauer bietet (vgl. BSG Urteil vom 01.06.2010 –B 4 AS 63/09 R juris Rn. 14).

Die angestrebte Erwerbstätigkeit muss dem Leistungsberechtigten die ernsthafte Perspektive eröffnen, in absehbarer Zeit aus eigenen Kräften den Lebensunterhalt jedenfalls für sich (bzw. streitig, ob auch für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen – vgl. Hannes in Gagel, a.a.O. § 16b Rn. 54; Stölting in Eicher, a.a.O., § 16b Rn. 20; Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16b Rn. 5) decken zu können.

Dies setzt zunächst unabdingbar voraus, dass die Tätigkeit überhaupt wirtschaftlich tragfähig iSv § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II ist.

Ob dies (schon) dann der Fall ist, wenn der erzielte Gewinn wenigstens die Betriebsausgaben deckt.

(LSG NRW Urteil vom 06.06.2013 – L 7 AS 1884/12 juris Rn. 40; Stölting in Eicher, a.a.O., § 16c Rn. 14; Thie in LPK-SGB II, a.a.O., § 16c Rn. 2; Harks in jurisPK-SGB II, a.a.O., § 16c Rn. 25)

oder (erst) dann, wenn ein (erheblicher) Gewinn erzielt wird (Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16c Rn. 4; Harich in BeckOK, a.a.O., § 16c Rn. 6; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 16b Rn. 108),

kann vorliegend dahinstehen, weil die Gewinnerzielung ohnehin notwendig auch in der Tatbestandsvoraussetzung der „Überwindung von Hilfebedürftigkeit“ (§ 16b Abs. 1 S. 1 SGB II a.F.) bzw. der „Überwindung oder Verringerung von Hilfebedürftigkeit“ 16c Abs. 1 S. 1 SGB II a.F.) enthalten ist.

LSG NRW L 2 AS 2249/12

Betrachten wir die Tragfähigkeit von einer anderen Seite.

Fast 45 MIO haben eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt – ca 10% gehen einer Gewinnerzielung nach, somit ca. 4,5Mio.  Die Anzahl an KMU (kleinere und mittlere Unternehmen) liegt bei gut 90%,

in den freien Berufen sind ca. 1,4 Mio.

Welche Fragen gilt es nun zu klären?

  1. Person oder Bedarfsgemeinschaft?
  2. Absehbare Zeit?
  3. Deckung des Lebensunterhalts?
  4. Überwindung oder Verringerung von Hilfebedürftigkeit?
  5. Wie hoch muss die Anrechnung sein?

Zusätzlich sind auch Personen bezogene Fragen zu stellen:

Die Eingangsvoraussetzungen für eine unternehmerische Tätigkeit.

Diese sind dann zu unterscheiden in:

  1. Mit Zustimmung des Jobcenter (Existenzgründung)?
  2. Ohne Zustimmung des Jobcenter (Existenzgründung)?
    und
  3. Erstantragssteller, die bereits unternehmerisch tätig sind?

Bei all diesen Fragen haben wir zunächst unsere Erfahrungswerte aus tausenden Teilnehmern ausgewertet. Wir erfassen die privaten Ausgaben je Haushalt: IST, im Monat.

Zu berücksichtigen ist natürlich die Mitgliederzahl des Haushaltes (Haushaltsgröße), bzw. ob es sich um einen Singelhaushalt oder „Dinkies“ (Double Income – no Kids) handelt. Der Wohnort und das verfügbare Gesamteinkommen (ggf. ALG I oder ALG II) sind bei der Auswertung ebenso zu berücksichtigen.

Im Schnitt ergeben sich folgende Zahlen:

1 Personen Haushalt zwischen 1.200€ und 1.500€

4 Personen Haushalt zwischen 2.000€ und 2.500€

Zur Frage 1 Person oder Bedarfsgemeinschaft

Bei konsequenter Anwendung unserer bisherigen Ausführungen (SGB immer personenbezogen) ist die Frage schnell beantwortet:

…den Lebensunterhalt für sich – somit Person bezogen, nicht BG.

Zur Frage 2 absehbare Zeit

12 Monate (siehe Förderungen)

Zur Frage 3 Deckung des Lebensunterhalts

Beispiel 1 (rechte Seite)

Anhand der Tabelle ist beispielhaft ein Bruttogehalt (Brutto: 1, auch Steuer- und Abgabenbescheid für Arbeitnehmer genannt) in Höhe von 3.000€ ausgewiesen. Netto verbleiben in diesem Beispiel (ledig, keine Kinder, NRW) 1.920,77€/Monat.

(Brutto: 0 ist incl. der AG Anteile, das kalk. Brutto beinhaltet weitere Kosten Arbeitsplatz, die letzte Zeile: Verbrauchssteuern dient dem Bewusstsein)

Beispiel 2 (rechte Seite)

Wir haben bereits ausgeführt, dass Personen, die einer Gewinnerzielung nachgehen: Unternehmer/Innen (ELB – U), aus unserer Sicht „Höchstleistungssportler“ sind.

Es handelt sich nicht um Personen, die schwer oder kaum vermittelbar sind.

Bei diesem Personenkreis ist davon auszugehen, dass mindestens eine Tätigkeit zum Mindestlohn auf dem 1. Arbeitsmarkt realisierbar erscheint.

Bei einem Mindestlohn (9,35€) sowie 160 Stunden Tätigkeit im Monat wird ein Brutto-Gehalt in Höhe von 1.496,00€, Netto-Gehalt in Höhe von 1.118,84€ erzielt.

Tragfähigkeit somit: 1200,00€/Monat (vor Steuern)

Der GKV Spitzenverband sagt, dass der Gewinn im Minimum bei ca. 760,00€ liegen sollte, darunter wird von Liebhaberei/Hobby gesprochen. Diesem Betrag sind dann die Versicherungen aus dem privaten Bereich hinzuzurechnen: KV/PV ca. 400,00€.

Tragfähigkeit somit: 1200,00€/Monat (vor Steuern)

Rechte Seite: Tabelle

Die Realität

Die Tabelle rechts verrät uns nun, wie die Realität aussieht: Bei einem DB 1 verbleibt beispielhaft 1.500,00€ für die Betriebsausgaben. Aus der Tabelle sind die Werte zu entnehmen.

Für die Anrechnung bleiben nun noch 240,00€ nach Freibetrag für die Anrechnung.

Nicht berücksichtigt wurden die „internen Kosten Jobcenter“ sowie die Krankenversicherung und die KdU.

Aufgrund überlanger Duldung von unwirtschaftlichen Unternehmen (siehe auch: lange Bezugsdauer von Arbeitslosengeld II – Jobcenter betreuten Selbständige über Jahre unzureichend, Bundesrechnungshof) werden jährlich Steuergelder nach Meinung der Verfasser verschwendet.

Die ELB – U werden geduldet – anstatt zum Lebensunterhalt beizutragen.

Es kommt somit zu „Subventionierungen durch den Steuerzahler“, nur weil die unternehmerischen Tätigkeiten über Jahre unterstützt werden.

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Nach unserer Grobberechnung zahlt der Steuerzahler indirekt jährlich fast 1 Milliarde Euro an Vermieter, Steuerberater, Banken/Sparkassen und an die Kammern!

Es wurde unterstellt, dass es 100.000 ELB – U`s gibt. Ob diese Zahl ausreichend ist, können auch wir nicht sagen, unsere Erfahrungswerte zeigen wesentlich höhere Fallzahlen auf: Das möchte jedoch kein Verantwortlicher der Politik hören.

Es ist somit wieder der Gesetzgeber sowie das Ministerium gefordert:

Kein „Wischiwaschi“, sondern klare Vorgaben und konsequente Umsetzung vor Ort.

Zu Fragen 3 – 4 – 5

Es muss erkennbar sein, dass nach einem Jahr der/die ELB-U ein Einkommen in Höhe von 1200,00€ erzielt. Auch die Addition mit Einkommen

  • aus unternehmerischer Tätigkeit und
  • zusätzlichem Einkommen (450,00€ oder Gleitzone, soz. vers. pflichtig)

ist möglich.

Förderungen (analog Existenzgründer)