Aktuelles Fallbeispiel

Aktuelles Fallbeispiel

Bericht zur Tätigkeit des Herrn F.,

Eingetragen am …….2018, Amtsgericht xxx Handelsregister B xxxxx

Grund- oder Stammkapital: 100.000€ (2 Geschäftsanteile zu einem Nennbetrag von je 50.000€

  1. Kunde 50.000€
  2. Gesellschafter „Zwei“ 50.000€

Auszüge aus dem Gesellschaftervertrag

§4 Gesellschaftervertrag

3. Auf die Geschäftsanteile sind Einlagen zum Nennbetrag in Geld zu leisten, und zwar zu 50%, die restlichen Geschäftsanteile auf Anforderung der Gesellschaft.

  • Nach Auszug wurde am …..2018:  50% der Stammeinlage von jedem Gesellschafter geleistet.

§5 Vertretung, Geschäftsführung

Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer

§6 Gesellschafterversammlung

2. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und mindestens 75% des Stammkapitals vertreten sind.

3. Alle Beschlüsse der Gesellschaft werden mit einfacher Mehrheit….

§7 Dauer der Gesellschaft – Geschäftsjahr

2. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr

Persönliche Gespräche:

  • Die Gesellschafter haben nach Aussage noch keine Gesellschafterversammlung abgehalten.
  • Schriftliche Geschäftsführerverträge liegen nicht vor.
  • Gewinn- und Verlustrechnung aus 2018: Minus 31.737,92€
  • Beschlüsse über die Gewinnverwendung wurden nicht getätigt.
  • Die Geschäftsführung hat aktuell nicht zu einer Gesellschafterversammlung eingeladen, es erfolgte keine Aufforderung, die zweite Hälfte des Stammkapitals einzubezahlen. 

Nach Angabe bestehen 719,99€ an Forderungen.

Nach Angabe bestehen an eine weitere Unternehmung des „Gesellschafter 2“ Verbindlichkeiten in Höhe von 19.500,97€ (noch nicht berechnet). Weiterhin Verbindlichkeiten in Höhe von 1779,62€ an einen Rechtsanwalt.

  • Kontostand per 30.08.2019: +40,08€.
  • Der Kunde hatte ein Arbeitsverhältnis bei dem Gesellschafter „2“.  Das Bruttogehalt lag bei 1680,00€, netto: 1.336,02€.
  • Anspruch auf ALG I:

Anlage: Ein Anspruch auf die zu bescheinigende Leistung besteht nicht: Der Kunde ist seit dem 18.06.2018 im Handelsregister eingetragen und die geschäftliche Tätigkeit beginnt am 01.10.2018. Die wöchentliche Stundenzahl ist mehr als 15 Std.

Jobcenter:

  1. Die Familie hat einen WBA ab 10/2018 gestellt. Der bisherige Gesamtbedarf liegt bei 2.594,00€ (2E + 4 Ki). 

Der beigefügten Auswertung EKS – vorläufig (Anlage zum Bescheid) ist zu entnehmen, dass in dem BWZ Oktober 2018 bis März 2019 ein monatlich durchschnittliches Einkommen in Höhe von MINUS 1.471,98€ erwirtschaftet wird.

  1. Die Familie hat einen WBA ab 04/2019 gestellt. Der bisherige Gesamtbedarf liegt bei 2.594,00€ (2E + 4 Ki). 

Der beigefügten Auswertung EKS – vorläufig (Anlage zum Bescheid) ist zu entnehmen, dass in dem BWZ April 2019 bis September 2019 ein monatlich durchschnittliches Einkommen in Höhe von zunächst 0,00€ berechnet wird.

Aus dem Bescheid: Ihnen wurde kein Einkommen aus Selbständigkeit angerechnet. Aufgrund dessen, dass Sie Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind, stehen Ihnen am Jahresende lediglich eine Beteiligung am Gewinn bzw. Verlust der Unternehmung zu. Alles andere was die Geschäftstätigkeit berührt ist somit erstmal Teil der GmbH und in erster Linie der GmbH zuzurechnen. Welches Einkommen sich aber aus Ihrer Beteiligung ableiten lässt, muss noch ermittelt werden.

  1. Die Familie hat einen WBA ab 10/2019 gestellt.

In diesem WBA wird nunmehr aufgeführt, dass ein Darlehen in Höhe von 50.000€ aufgenommen wurde. Das Geld ist nach Angabe am 01.06.2019 auf dem Konto eingegangen. Die Tilgung ist ausgewiesen in Höhe von 587,50€, zahlbar ab November 2019.

  1. Es erfolgte die Zuweisung zu einer Maßnahme BUKSELB

Mit beiden Gesellschaftern wurden div. Gespräche geführt.

Es erfolgte keine Steuer- Rechts- oder Schuldnerberatung.

Es gab ein Informationsgespräch mit dem RA R… bezüglich der Pflichten nach dem GmbH-Gesetz. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, welche Pflichten die GF bezüglich der Einzahlung der 2. Hälfte des Stammkapitals haben: Einladung zur Gesellschafterversammlung und Aufforderung an die Gesellschafter.

Feststellungen

Es wird zunächst verwiesen auf:

  • Fachliche Weisung zum §16c SGB II
  • Fachliche Weisung zum §10 SGB II
  • BSG, Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 1/13 R
  • LSG SAN L 5 AS326/11 B ER
  • LSF BRB L 25 AS 538/10
  • B 4 AS 63/09 R
  • L 7 AS 1884/12
  • LSG NRW L 2 AS 2249/12

Definition nach Weisung 201707011 vom 20.07.2017:

21.1

(1) Eine selbständige Tätigkeit ist gekennzeichnet durch die frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft. Selbständige arbeiten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und tragen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit (Unternehmerrisiko).

In dem vorliegenden Fall ist der Kunde Gesellschafter einer GmbH, dieses zu 50%.

Der Kunde hat sich die erforderlichen 25.000€ (1. Hälfte des Stammkapitals) von seinem Mitgesellschafter und ehemaligem Arbeitgeber geliehen. Auf die familiären Verknüpfungen wird nicht eingegangen. Nach GV – Vertrag ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und mindestens 75% des Stammkapitals vertreten sind. Alle Beschlüsse der Gesellschaft werden mit einfacher Mehrheit beschlossen.

Der Kunde verfügt somit aufgrund seiner Position nicht uneingeschränkt über die zur Verfügung stehenden Mittel, es bedarf grundsätzlich der Zustimmung des 2. Gesellschafters.

Es liegt keine Beherrschung vor.

Der Kunde hat sich für die 1. Hälfte des Stammkapitales 25.000,00€ geliehen. Hierbei handelt es sich nicht um ein betriebliches Darlehen (siehe WBA). Das Darlehen ist „privater Natur“ und somit nicht anzuerkennen.

Da kein Darlehensvertrag eingesehen werden konnte ist zu prüfen, ob der Geldzufluss als „Einkommen“ (ggf. Vermögen) berücksichtigt werden kann.

Die Stellung als Gesellschafter einer GmbH ist somit keine „Selbständigkeit“.

2. Geschäftsführer

Nach Wissenstand sind beide Gesellschafter auch Geschäftsführer der GmbH. Schriftliche Geschäftsführerverträge oder Arbeitsverträge sind nach Aussage nicht vorhanden.

Nach Aussage erhält keiner der Geschäftsführer eine Vergütung – beide arbeiten somit eher „Ehrenamtlich“. 

3. GmbH und ALG II-V

Allgemein

Das Betreiben einer Personen- oder Kapitalgesellschaft widerspricht grundsätzlich den Vorgaben der ALG II-V. Die (Fix-) Kosten einer Personen-Kapitalgesellschaft sind schon vom Grundsatz nicht kompatibel mit der Verordnung. Alleine die Gründungsmodalitäten sind wesentlich höher, als bei einem Einzelunternehmen. Auch die Verpflichtungen nach den Gesetzen führen zu höheren Kosten, die vermeidbar sind (Jahresabschluss, steuerliche Pflichten, Veröffentlichungspflichten, u. s. w.).

Die Angemessenheit der sonstigen Kosten (auch Investitionen) sind bei einer Beteiligung von „nicht Leistungsempfängern“ kaum zu beeinflussen.

Weiterhin „kann“ nach dem Zuflussprinzip nur der reale Geldeingang (zur Verfügung stehendes Einkommen) zur Berechnung herangezogen werden.

Ob und wann es dann zu Geldzufluss kommt, hängt alleine an der Entscheidung „Außenstehender“.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass diese „Außenstehenden“ von der Leistung des Jobcenters mit profitieren. Da (zumindest in Teilen/Fallbezogen) Leistungen vom Jobcenter bezogen werden, ist eine Entnahme aus dem Unternehmen nicht erforderlich (Grundsicherung – KdU – KV/PV).

Ergebnis

In dem vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine sogenannte Selbständigkeit.

Der Kunde steht dem 1. Arbeitsmarkt per sofort zur Verfügung.

Aus Sicht der COMPASS UG(haftungsbeschränkt) liegt bereits bei der Entscheidung der Agentur für Arbeit ein Fehler vor (siehe Anspruch ALG I). Die hier ausgeführten „ehrenamtlichen Tätigkeiten“ begründen nicht den Anspruch auf eine „selbständige Tätigkeit“.

Der Kunde hat somit zunächst einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB III zu stellen.

Wirtschaftlichkeit

Auch wenn es für die weitere Betrachtung unerheblich ist, wird auf die Tragfähigkeit eingegangen.

Die vorgelegte EKS-Prognose (Okt2019 – März2020) weist (ohne Anerkennung der Ratenzahlungen – Privat -Darlehen) ein Ergebnis in Höhe von ca. 5000,00€ aus.

Je Gesellschafter somit 2500,00€/ somit ca. 400,00€/Monat vor Freibetrag – 240,00€ nach Freibetrag.

Bei jedem 450,00€ Job würde somit der Kunde mehr zum Lebensunterhalt beitragen: Es ist auf den §10 SGB II zu verweisen.

Die Inhalte dieses Schreibens wurden mit dem Kunden besprochen.

Unterschrift